Morbus Ahlbäck –
oder die beste Medizin ist (hyperbarer) Sauerstoff
Es ist Rosenmontag und ich gehe endlich zum Orthopäden. Seit Wochen plagen mich immer wieder Schmerzen auf der Außenseite des rechten Knies – mal beim Treppensteigen, mal einfach so beim Sitzen. Nachts auf der Seite liegend ist das Aufeinanderliegen der Knie unangenehm. Der Orthopäde untersucht und röntgt und kann so recht keine Ursache für meine inzwischen teils höllischen Schmerzen finden. Also ab zum Kernspin. Knochen-Infarkt! erklärt mir die junge Radiologin. Klingt dramatisch! Ist es auch, sagt der Orthopäde. Er kennt als Therapie für die aufgrund einer Durchblutungsstörung abgestorbene Knochenpartie kurz über dem Kniegelenk nur zwei Möglichkeiten: Transplantation von Knochenmaterial aus der Hüfte oder ein künstliches Kniegelenk. Termin bei einem einschlägig renommierten Operateur mit Professorentitel: Knochentransplantation bei einem 63-jährigen nicht ratsam, am besten künstliches Kniegelenk mit zwei Schlitten. Termin Gründonnerstag. Ich melde mich an, habe aber Zweifel: Ein intaktes Kniegelenk absägen, weil im Knochen direkt darüber eine (11×4 mm große) nekrose Stelle ist?
Hin und her gerissen tut man das, was Ärzte meist nicht so schätzen: Rumklicken im Internet. Aber schon ein Blick in den Wikipedia-Artikel über Knochennekrose (Morbus Ahlbäck) genügt um festzustellen, dass es die hyperbare Sauerstofftherapie als weitere Behandlungsvariante gibt und diese von Unikliniken und anderen Instituten angeboten wird.
Kann nicht sein, dass es dergleichen in München nicht auch gibt! Einige Klicks später ist das HBO-Institut in der Landeshauptstadt gefunden und umgehend ein Termin vereinbart.
Wenige Tage später erklärt mir eine Ärztin des Druckkammerzentrums – mit der resoluten Skepsis langjähriger Erfahrung im Blick – nach Begutachtung der MRT-Befunde, dass sie die Chancen einer Heilung oder zumindest deutlichen Verbesserung auf ca. 70 Prozent schätzt, ohne natürlich irgendetwas versprechen zu können. Wir sind uns schnell einig: Das eigene Kniegelenk ist in einer halben Stunde raus – unwiederbringlich. Da buche ich lieber 25 Sitzungen in der Sauerstoffdruckkammer – auch wenn die Finanzierung unklar ist – und sage die OP ab.
Anfangs schleppe ich mich mit Krücken zur HBO-Therapie, stelle aber bereits nach einer Woche fest, dass ich zuhause fast schmerzfrei herumschleichen kann. Nach etwa der 10. oder 11. Sitzung ist die Rolltreppe des nahe dem HBO-Zentrum gelegenen U-Bahnhofs kaputt – ich stelle überrascht fest, dass ich schmerzfrei die Treppe rauf und runterkomme. Dann sehr rasche Fortschritte: Nach der dritten Woche (zwei dickere Romane sind während der über zweistündigen werktäglichen Therapiesitzungen in der Druckkammer schon weg gelesen) ein zweistündiger Spaziergang im Englischen Garten – schmerzfrei. Dr. Müller, der freundliche Leiter des Hyperbaren Sauerstoff-Zentrums München, rät zur Vorsicht und warnt vor übertriebenem Leichtsinn. Ende April endet die Therapie, Ende Mai erneute MRT-Aufnahme: Das Ödem im Knochen ist weg und die nekrose Stelle verheilt. Zu guter Letzt stellt die (private) Krankenkasse in Aussicht, einen Großteil der Behandlungskosten zu übernehmen.
Abschließender Test Anfang Juni: Kleine Bergtour aufs Hörnle bei Bad Kohlgrub ohne Probleme. Fazit: Vgl. Überschrift.
Dr. Friedrich Iohn
Juni 2015
Foto: privat