Tauchunfall

Tauchunfall-Behandlung am Druckkammerzentrum München

Haben Sie einen Tauchunfall erlitten? Kontaktieren Sie uns umgehend: (089) 54 82 31-0

Mo – Do 9:00 – 18:00 Uhr

Freitag 9:00-16:00 Uhr

Oder wählen Sie die Hotline von VDSTDAN oder aquamed.

Taucherärztliche Telefonberatung und Notfall-Zentren für Tauchunfälle sind zentral aufgeführt auf der GTÜM Internetseite „Tauchunfall-Hotlines“.

Definition: Was ist ein Tauchunfall?

Der Tauchunfall wird auch als “Dekompressions-Unfall”, “Decompression Illness” oder “DCI” bezeichnet. Er wird hervorgerufen durch raschen Abfall des Umgebungsdruckes und ist gekennzeichnet durch die Bildung freier Gasblasen in Blut und Geweben. Abhängig vom Entstehungsmechanismus können “Dekompressionskrankheiten” (“Decompression Sickness” (DCS)) und “arterielle Gasembolien” (“Arterial Gas Embolism” (AGE)) unterschieden werden. Klinisch sind DCS und AGE oft nicht differenzierbar. Wichtige Differentialdiagnosen bei Tauchunfall sind das Barotrauma des Innenohres (Ruptur der Rundfenster-Membran), zerebraler Insult durch Embolie oder Blutung und vertebraler Diskusprolaps sowie Herzinfarkt, Hypoglykämie und Epilepsie.

Erstmaßnahmen bei Tauchunfall

Erste Hilfe durch Laien

Ersthelfer bei einem Tauchunfall sind i.d.R. die Tauchpartner. Der Erfolg der Ersten Hilfe und der weiteren Behandlung hängt ab von einer entsprechenden Ausbildung der Taucher, einer auf die Tauchgangsplanung angepaßten Notfallausrüstung und sicheren Kommunikationsmitteln (z.B. Mobiltelefon & Telefonnummern).

Bei milden Symptomen (extreme Müdigkeit, Hautjucken “Taucherflöhe”):

  • 100% Sauerstoffgabe
  • Flüssigkeitsgabe, 0,5 – 1 Liter oral (keine hypertonen, alkohol- oder coffeinhaltigen Getränke)
  • Bei Unterkühlung weiteren Wärmeverlust verhindern (Decken, Dampfsperre)
  • orientierende neurologische Untersuchung
  • keine nasse Rekompression
  • wenn symptomfrei innerhalb 30 Minuten: Arzt verständigen, 24 Stunden beobachten
  • wenn noch Symptome nach 30 Minuten: wie schwere Symptome behandeln.

Bei Auftreten von Symptomen noch unter Wasser oder anderen Symptomen wie: 

  • Hautsymptome
  • Schmerzen
  • Ameisenlaufen
  • Körperliche Schwäche
  • Taubheitsgefühl
  • Lähmungen
  • Atembeschwerden
  • Seh-, Hör-, Sprachstörungen
  • Schwindel
  • Übelkeit
  • Eingeschränktes Bewusstsein
  • Bewusstlosigkeit

sind folgende Maßnahmen zu treffen:

Spezifische Erste Hilfe nach einem Tauchunfall

  • Rückenlagerung, bei Bewusstlosigkeit stabile Seitenlage
  • 100% Sauerstoffgabe (schnellstmöglicher Beginn),
    a) bei Eigenatmung über Maske (Demand-Ventil oder Kreislauf-System mit CO2-Absorber), wenn nicht verfügbar: Konstantdosierung (15- 25 ltr./min, Reservoir und Rückschlagventile),
    b) insuffiziente Eigenatmung: Beatmung mit 100% O2 (Beatmungsbeutel mit Reservoir und Konstantdosierung (15 – 25 ltr./min) oder Demand-Ventil oder Kreissystem mit CO2-Absorber. Sauerstoffgabe ohne Pause bis Erreichen der Druckkammer. Auch bei begrenztem Vorrat immer höchst mögliche O2-Konzentration, kein Luftmix oder Konstantdosierung unter 15 ltr./min.
  • Flüssigkeitsgabe
    a) Bei bewusstseinsklaren Opfern mit stabiler Neurologie und intaktem Schluckreflex schluckweise 0,5 – 1 Liter Flüssigkeit/Stunde (keine hypertonen, alkohol- oder coffeinhaltigen Getränke)
    b) Bei eingetrübten Opfern oder gestörtem Schluckreflex nicht trinken lassen.

Weitere Maßnahmen nach einem Tauchunfall

  • Orientierende neurologische Untersuchungen
  • Bei Unterkühlung: weiteren Wärmeverlust verhindern, keine aktive Wiedererwärmung
  • Taucherärztliche Telefonberatung und Notfall-Zentren für Tauchunfälle sind zentral aufgeführt auf der GTÜM Internetseite Tauchunfall-Hotlines
  • Transport-Organisation
    a) Rettungsleitstelle alarmieren
    b) Transportmittel: keine Präferenz für bestimmtes Transportmittel, schneller und schonender Transport, keine Einschränkung für einen Helikopter möglichst < 1000 ft / 300 Meter Flughöhe über Grund.
    c) Transportziel: nächste Notfallaufnahme, möglichst in Nähe einer Druckkammer.
  • Gerätesicherstellung (z.B. Dekompressions-Computer)
  • Dokumentation von Tauchgangsdaten, Symptomverlauf und Behandlungsmaßnahmen
  • Keine nasse Rekompression.

Erste Hilfe durch medizinisches Personal nach einem Tauchunfall

Spezifische Erste-Hilfe-Maßnahmen

  • Lagerung (siehe oben)
  • Sauerstoffgabe 100% bei intakter Eigenatmung: (siehe oben)
  • Insuffiziente Eigenatmung: Beatmung mit 100% O2, ggf. über Tubus, ohne Pause bis Erreichen der Druckkammer. Auch bei begrenztem Vorrat immer höchst mögliche O2-Konzentration, kein Luftmix oder Konstantdosierung unter 15 l/min
  • Flüssigkeit: 0,5 – 1 Liter / Stunde i.v. (bevorzugt Ringerlaktat, keine reinen glukosehaltigen Lösungen)
  • Medikamente (dem Arzt vorbehalten): Grundsätzlich nach notfallmedizinischen Standards. Für die Behandlung von Tauchunfällen ist bisher kein Medikament als spezifisch sicher wirksam belegt.

Weitere Maßnahmen

  • Orientierende neurologische Verlaufskontrollen
  • Urinkatheter, ggf.
  • Thoraxdrainage, ggf.
  • Bei Unterkühlung: Wärmeverlust verhindern, aktive Wiedererwärmung nur mit intensivstationären Interventionsmöglichkeiten
  • Taucherärztliche Telefonberatung (s.o.)
  • Monitoring und Dokumentation: Notarztprotokoll, Laien-Dokumentation von Tauchgangsdaten, Symptomverlauf und Behandlungsmaßnahmen, mitgegebene Geräte (z.B. Dekompressions-Computer).

Transport zur nächsten Druckkammer

  • Transport mit bodengebundenen Fahrzeugen, Boot, Hubschrauber (möglichst < 1000 ft / 300 Meter über Grund) oder Flugzeug (Kabinendruck nahe 1 bar).
  • Transport möglichst erschütterungsarm und ohne Druckreduktion.
  • Eingeleitete Maßnahmen fortführen, Sauerstoffgabe ohne Pause bis Erreichen der Druckkammer weiterführen.

Erste Druckkammerbehandlung nach einem Tauchunfall

Druckkammer
Behandlungs-Druckkammer, Arbeitsdruck mind. 280 kPa (2,8 bar abs./18 mWT), Notarztkoffer nach DIN 13232, Bau und Ausrüstung nach DIN 13256.

Maßnahmen vor Behandlungsbeginn : Neurologischer Status (Dokumentation!)

  • Rö.-Thorax 2 Eb. / Thorax-CT, wenn zeitlich vertretbar oder bei Vd. a. Lungenbarotrauma
  • Thoraxdrainage bei Pneumothorax
  • Urinkatheter abhängig von Symptomatik
  • Parazentese, ggf.
  • Bei intubierten Patienten kontinuierliche Cuffdruckkontrolle der Cuff-Füllung mit Aqua dest.
  • Taucherärztliche Telefonberatung, wenn erforderlich (s.o.).

Behandlungstabellen

  • Standard-Behandlungstabelle ist US Navy Treatment Table 6 oder Modifizierungen dieser Tabelle mit initialer O2-Atmung bei 280 kPa (2,8 bar abs./18mWT) für alle Tauchunfälle unabhängig vom verwendeten Atemgas.
  • Bei Deko-Regelverstoß ohne Symptomatik sind kürzere Tabellen mit initialer O2-Atmung bei 280 kPa (2,8 bar abs./18mWT) oder 240 kPa (2,4 bar abs./14mWT) möglich (z.B. US Navy Treatment Table 5).

Maßnahmen während der Behandlung

  • Wiederholt neurologische Kontrolluntersuchungen (Dokumentation!)
  • Wiederholt Auskultation der Lungen, immer vor Drucksenkungen
  • Regelmäßige Kontrolle aller abgeschlossenen Gasräume (z.B. Tubus-Cuff, Infusion, Tropfkammer, RR-Manschette), immer vor Drucksenkungen.

Adjuvante Behandlungsmaßnahmen

  • Grundsätzlich nach notfallmedizinischen / intensivmedizinischen Standards
  • bei wachen Patienten psychologische Unterstützung
  • Flüssigkeitsbilanzierung, abhängig von Symptomatik
  • Für die Behandlung von Tauchunfällen ist bisher kein Medikament als spezifisch sicher wirksam belegt
  • Dokumentation der durchgeführten Maßnahmen für den Weiterbehandler

Transport zum Behandlungszentrum

Bestehen nach der ersten Druckkammer-Behandlung noch Symptome, so ist innerhalb von 24 Stunden eine/mehrere Folgebehandlung(en) anzuschließen. Ist an der erstbehandelnden Druckkammer keine stationäre Betreuung möglich, muss der Transport in ein entsprechendes Behandlungszentrum erfolgen. Nach mindestens einer Druckkammer-Behandlung und mindestens 24 Stunden nach Unfallereignis ist Flug mit üblichem Kabinendruck (z.B. 0,8 bar abs.) prinzipiell möglich. Hierbei ist zu bedenken, dass eventuell O2-Atmung erforderlich sein kann. Die Transport-Entscheidung ist im Einzelfall mit erfahrenen Taucherärzten in Abhängigkeit von Krankheitsverlauf und noch bestehenden Symptomen abzustimmen.

Betreuung während Transport

  • Grundsätzlich nach notfallmedizinischen/intensivmedizinischen Standards
  • Eingeleitete Maßnahmen fortführen
  • Sauerstoffgabe abhängig von der Klinik
  • Volumenersatz, bei Flug auf Hydrierung achten (i.v. / oral) Orientierende neurologische Verlaufskontrollen
  • Dokumentation, z.B. Notarztprotokoll
  • Medikamente: grundsätzlich nach notfallmedizinischen/ intensivmedizinischen Standards

Druckkammer- Folgebehandlungen:

  • Ggf. zweite Behandlung mit Standard-Behandlungstabelle oder sofort HBO-Behandlungen, z.B. sog. “Problemwunden-Schema” mit 90 min. O2-Atmung bei 240 kPa (2,4 bar abs./14mWT).Höchstens 2 Behandlungen innerhalb 24 Stunden, Abstand zwischen Behandlungen höchstens 24 Stunden.
  • Diagnostik: abhängig von Symptomatik MRT, CT und fachneurologische Konsiliaruntersuchungen (regelmäßig), Lungenfunktionskontrolle nach klinischer Symptomatik
  • Krankengymnastik/Physiotherapie zwischen den Druckkammerbehandlungen je nach klinischer Symptomatik, Beginn spätestens drei Tage nach Tauchunfall. Krankengymnastik/ Physiotherapie während der Druckkammerbehandlungen ist möglich; Vorteil gegenüber der Durchführung zwischen den Druckkammerbehandlungen nicht erwiesen.
  • Medikamentöse und weitere Therapie entsprechend klinischer Symptomatik nach Maßgabe der beteiligten medizinischen Fachgebiete
  • Entscheidung über Beendigung der Druckkammerbehandlungen: Nach vollständiger und anhaltender Symptomfreiheit können die Druckkammerbehandlungen beendet werden. Kommt es bei laufenden Behandlungen nach initialer Besserung während 3 – 5 Tagen zu keiner weiteren Besserung der Symptomatik, so wird die Druckkammer-Therapie abgebrochen und die für das neurologische Krankheitsbild empfohlene Rehabilitationsmaßnahme fortgeführt. Dokumentation Rehabilitation: Bei fortbestehenden neurologischen Ausfällen nach Ende der Druckkammerbehandlungen wird die der Symptomatik entsprechende Rehabilitationsmaßnahme unmittelbar an die Druckkammerbehandlungen angeschlossen.

Tauchtauglichkeit nach Tauchunfall

Die Beurteilung soll grundsätzlich nach den Empfehlungen im “Tauchtauglichkeit Manual” erfolgen. Die Erwägung einer Tauchtauglichkeit setzt die Beendigung der Tauchunfall-Therapie und die Stabilität des Behandlungsergebnisses voraus. Die Tauglichkeitsuntersuchung sollte erfahrenen Taucherärzten mit Mindestqualifikation entsprechend Diving Medicine Physician EDTC” und praktischer Erfahrung in der Tauchunfall-Behandlung vorbehalten sein.

Quellen:Leitlinie Tauchunfall 2014-2017, Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin, erstellt am 01.10.2014, gültig bis 31.10.2015Tauchunfallbehandlung (pdf), R.F.D. Natzer, Notfall- und Rettungsmedizin 2004, 7:121-138

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